Allgemeines zum Mittelmeerwetter

Ginge es nach den geltenden Touristikklischees, so wäre das Mittelmeer eine Gegend ewigen Sonnenscheins mit Dauerhundstagen.

Diese Klischees sind ziemlicher Unsinn. In den Sommermonaten wird es zwar häufig so sein aber die Winter bringen langwährende Niederschläge. Die berüchtigten Nordwinde Mistral, Meltemi und Bora können ganzjährig einfallen und dem Gammelleben an Bord ein jähes Ende bereiten. Wenn die See innerhalb einer Stunde weiß wird, kann der Weg zum nächsten überfüllten Hafen weit werden, vielleicht zu weit. Zum Gefahrenmoment wird auch die relative Begrenztheit des Seeraumes. Man kann Stürme oft nicht ablaufen, ohne auf Legerwall zu kommen.

Schon antike Schiffsdarstellungen zeigen: Entweder wird gerudert, oder mit gerefften Segeln gefahren. Tatsächlich ist im langjährigen Mittel das Mittelmeer eines der sturmreichsten und gefährlichsten Gewässer der Nordhalbkugel. Viele weltweit erfahrene Yachties und Regattasegler zählen z. B. die Segelgebiete Golfe de Lyon und West Korsika-Sardinien zu den gefährlichsten Revieren der Welt. Genau genommen ist das Mittelmeer also zum Segeln nicht gut geeignet. Machen wir uns darum nichts vor, wir fahren eher wegen der Sonne, des milden Klimas, der Kultur und der gut ausgebauten Infrastruktur dort hin.

Grundsätzlich ist das Mittelmeerwetter jahreszeitlich zweigeteilt. Im Sommer pflegt das Azorenhoch einen Keil weit ins westliche Mittelmeer zu schieben und über der Türkei oder dem Irak ein Hitzetief zu lagern. Diese Grundkonstellation mit störungsarmem Wetter kann jederzeit unterbrochen werden durch Tröge aus West oder Nord mit Stürmen bis zu Orkanstärke (Mistral, Bora, Meltemi). Diese Zwischenspiele sind allerdings im Sommer meist nicht von langer Dauer. Im Allgemeinen ist es sonnig und schwachwindig mit einem ausgeprägten Tagesgang der Temperatur, des Luftdrucks und des Windes, d. h. Seewind am Nachmittag und Landwind oder Flaute in der Nacht. Frühes Auslaufen lohnt darum oft nicht. Ohnehin sind die Morgenstunden oft die schönsten an Land, während es draußen noch flautig langweilig ist.

Im Winter herrscht eine andere Konstellation: Der Azorenhochkeil weicht Tiefdruckgebieten, die tagelang auf der Stelle kreisen und ungeheure Regenmengen freisetzen können, verbunden manchmal mit Stürmen und Gewittern. Nahezu die gesamten Niederschläge in dieser Region fallen in den Wintermonaten. Natürlich kann man gelegentlich auch bei 25° C in Málaga Weihnachten feiern, aber darauf ist wenig Verlass. Die Umstellung geschieht meist ähnlich wie beim Monsun innerhalb weniger Tage. Das Sabbelwetter bleibt meist für lange Zeit, wenn es sich einmal festgesetzt hat. Normalerweise passiert das im westlichen Mittelmeer Ende Oktober, im östlichen einige Zeit später. Dieses feuchte Wetter mit relativ hohen Temperaturen führt an Bord zu allerlei Unannehmlichkeiten, weil der Innenraum mit Kondenswasser überzogen wird. Dem wäre mit einer kräftigen Heizung oder Klimaanlage beizukommen, aber es ist ja nicht kalt und Heizungen sind auf kaum einer Mittelmeercharteryacht vorgesehen.

In Herbst und Frühling, also den Übergangszeiten, kann das Wetter im Mittelmeer wegen der großen Temperaturgegensätze regelrecht verrückt spielen. Hier findet man die größten Häufigkeiten und Intensitäten von Stürmen und anderen Wetterkapriolen wie dem Libeccio oder dem Scirocco, der Saharastaub heranweht.

 

Glossar

 

Seegebiet zwischen Südspanien und Marokko-Westalgerien.

 

Bora

Ablandiger Wind an der dalmatinischen Adriaküste. Man unterscheidet einen zyklonalen und antizyklonalen Typ. Äußerst gefährlicher Fallwind ähnlich dem Mistral. Im Winter sollen schon Windstärken von über 100 kn aufgetreten sein.

 

Tief im Golf von Genua. Kann lang andauernde, starke Regenfälle bringen. Zieht meist nach Osteuropa weiter.

 
Hitzetief

Schwache, lokale Tiefdruckgebiete, die sich durch Überhitzung bilden.

 

Isohypse

Linie gleicher Höhe. Wird in Höhenkarten benutzt als Maß für den Luftdruck. Angegeben werden die Höhen in Dekameter in denen ein Luftdruck von 500 hPa oder 850 hPa herrscht. Je höher eine Isohypse, desto höher der Druck

 

Keil

Ausbuchtung der Isobaren oder Isohypsen von einem Hoch aus gesehen.

 

Gefahrensituation auf See, wenn auflandiger Wind ein Schiff auf eine Küste drückt

 

Altertümliche Bezeichnung der Länder an den Nordküsten des östlichen Mittelmeers. Heute allgemeine Bezeichnung für die Mittelmeernordküsten. In Italien Bezeichnung für Ostwind. Alle Levantenwinde sind potentiell gefährlich (Tramontana, Mistral, Bora, Meltemi). Die Levanten gehören zu den sturmreichsten Gewässern der Erde.

 

Südwestwind (Italien) auf der Vorderseite eines Tiefs.

 

Nordwest- oder Nordwind, eine Art italienischer Mistral, aber weniger gefährlich. Der Maestro ist im Sommer der Normalwind im Ligurischen- und Tyrrhenischen Meer. Angenehm, außer als Sturm.

 

Nord- oder Nordwestwind in Griechenland, der Ägäis oder Türkei. Gefährlich, ähnlich dem Mistral und der Bora. Auch unter dem Namen Etesien bekannt.

 

Mistral

Ablandiger Wind an der französischen Mittelmeerküste. Tritt nach Abzug eines Tiefs auf. Stets antizyklonal. Ganzjährig auftretend, meist sehr plötzlich und ohne Vorwarnung. Kann mehrere Tage andauern und Orkanstärke erreichen. Sehr unangenehmer und böiger Wind, der eine steile Welle aufbaut, in der sich Segelyachten feststampfen. Der Mistral erfährt eine zusätzliche Beschleunigungskomponenten durch katabatische Effekte. Er schießt das Rhonetal hinunter und setzt sich bis weit ins freie Meer fort. Kann bis nach Korsika vordringen, wo er oft zyklonalen Charakter annimmt.

 

Seegebiet östlich des Alboran.

 

Südwind, der manchmal große Mengen Saharastaub mit sich führt.

 
Schlüsselwort im Seefunk, das nach internationaler Konvention Warnhinweise ankündigt.
 

Bezeichnung für den Mistral, wenn er weiter westlich auftritt oder östlicher einfällt.

 

Ausbuchtung der Isobaren oder Isohypsen von einem Tief aus gesehen. Das Wort "Trog" in einem Seewetterbericht sollte jeden Segler aufhorchen lassen!

Trogachse

Gedachte Linie durch die Punkte der stärksten Isobarenkrümmung.

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